Vom Guss der Prototypen zum finalen Gummifisch - Wie Skizzen reale Form annehmen

Veröffentlicht am: - Kategorie : Lurenatic Inside , Tackle-Tips & Tricks

Nachdem wir die ersten Zeichnungen erhalten und noch kleine Details besprochen haben, hieß es erstmal abwarten.

Worauf wir gewartet haben? Auf die Erstellung der ersten Aluminium-Spritzgussform. Da der Wobble Shad für einen Gummifisch ein sehr komplexes Design aufweist, ist natürlich auch die Gussform analog dazu ebenfalls sehr komplex. Diese entsteht durch mehrere hochkomplizierte Arbeitsschritte. Zu Beginn des Prozesses stehen sogenannte CAD-Zeichnungen, welche digital am Rechner angefertigt werden. Diese Zeichnung lässt sich nun mit einer CAM Software in einen sogenannten G-Code umwandeln. Diese Spezielle Art der Codierung ist die „Sprache“ einer CNC (Computer Numerical Controll) -Fräse. Hierbei wird der Maschine auf 0.001mm genau gesagt, welche Punkte sie beim Fräsvorgang anzufahren hat.

Der Fräsvorgang selbst ist aufgrund der Komplexität der Form des Wobble Shads unheimlich filigran. In den ersten Arbeitsgängen wird zunächst noch gröber gefräst, in Fachkreisen „Schruppen“ oder „Ausräumen“ genannt, um zeitsparend viel Material abtragen zu können. Sobald es jedoch an den letzten Schritt der Bearbeitung geht, wird gerade einmal 0,2mm Material von Bahn zu Bahn abgetragen. Dieser Prozess wird „Schlichten“ genannt und ist mit einer Bearbeitungszeit von vielen Stunden sehr zeitintensiv. Der Fräser selbst ist ein Rundkopffräser mit einem Durchmesser von nur 0,5mm, um einen möglichst glatten Körper zu ermöglichen. Wegen dieses kleinen Durchmessers ist eine Drehzahl von über 40.000 Umdrehungen pro Minute und ein langsamer Vorschub nötig, um das Material abtragen zu können. Diese geforderten Drehzahlen und die Genauigkeit benötigen spezielle Hochdrehzahl CNC-Fräsen, welche einen sehr hohen Anschaffungspreis haben.

In diesen aufwändigen Gussformen entstehen die Gummifsche

Die sehr aufwendige Erstellung der Zeichnungen, die CNC Programmierung, sowie der zeitintensive Fertigungsprozess und das Erfordernis einer sehr speziellen CNC-Fräse, machen die Herstellung einer Gussform für die Wobble Shad-Prototypen sehr kostenintensiv.

Ganze sechs Wochen mussten wir abwarten, bis die Fabrik die erste Form gefertigt und direkt die ersten 50 Prototypen in Takeushi-sans Lieblingsfarbe "Cinnamon Blue Flake" produziert hat. Ein Teil dieser Prototypen wurde dann direkt eingetütet und zu uns nach Deutschland geschickt. Heiß wie Frittenfett warteten wir auf die UPS-Zustellungsbenachrichtigung. Anfang März war es dann endlich so weit. Wir konnten die ersten Prototypen in unseren Händen halten. Jeder von uns hat den Wobble Shad erstmal minutenlang von allen Seiten bestaunt. Auf den ersten Blick ist er wirklich gut geworden. Die Proportionen waren in unseren Augen perfekt. Nicht zu schlank und nicht zu dick. Genauso wie wir ihn haben wollten. Wie ihr allerdings seht, waren bei diesem allerersten Prototypen die Bauchrippen noch fast gerade und die Form des Paddletails fast kreisrund. Also völlig anders, wie sie nun schlussendlich aussehen.

Probeguss des späteren Barschköders

Am liebsten wollten wir am selben Tag sofort Feierabend machen und direkt zum Wasser. Aber leider hat uns die Schonzeit einen Strich durch die Rechnung gemacht. In den Bundesländern in denen wir wohnen und an den Gewässern, an denen wir fischen, war zu dieser Zeit das Angeln mit Kunstködern verboten!

Um unsere Neugierde wenigsten ein bisschen zu stillen, wurde kurzerhand die heimische Badewanne zum Testbecken umfunktioniert. Denn das entscheidende Merkmal, das Laufverhalten des Gummifisches, musste analysiert werden. Jetzt im Nachhinein muss das Ganze ziemlich witzig ausgesehen haben. Carsten war mit dem Spitzenteil einer zweigeteilten Rute bewaffnet und ich hatte die Digitalkamera im Anschlag. Wir haben dann Zeitlupenaufnahmen vom Laufverhalten des Köders gemacht, um diese dann am Computer zu studieren. Wie zwei Kinder haben wir den Köder an diversen Rigs stundenlang durch die Badewanne gezogen.

Später haben wir die Aufnahmen dann am Computer ausgewertet und hatten ein erstes Ergebnis. Zugegeben waren die ersten Tests eher ernüchternd. Der Wobble Shad lief alles andere als schlecht. Aber leider noch lange nicht so, wie wir uns erhofft hatten.

Die Aktion, also das wie sich der Gummifisch unter Zug im Wasser verhält, teilte sich in etwa 50% „Rollen“ und etwa 50% „Wobbeln“ auf.
 
Die nächste Grafik verdeutlicht das Wobbeln und Rollen.

Aktion der ersten Prototypen unseres Gummifisches

Wir wollen mit der starken Wobble-Bewegung einen realen Beutefisch imitieren. Das war schon vor dem allerersten Entwurf unser Grundgedanke. Ein Fisch, der um sein Leben bangt, versucht mit vollstem Körpereinsatz dem Räuber zu entkommen. Dabei legt das Fischchen seine ganze Energie in den Fluchtversuch und schlägt mit all seiner Kraft mit dem Schwanz, um möglichst schnell vom Fleck zu kommen. Dieses Schwanzschlagen wird dann in das Wasser übertragen und als Impulse an das Seitenlinienorgan des Räubers weitergegeben.

Dazu musste der Schwanz also noch wesentlich weiter ausschlagen als bei unserem ersten Prototyp, was er jetzt am Ende auch deutlich sichtbar tut. Noike nennt diese Aktion "Strong Wobble Action".

Vergleich der Aktion des Gummifisches

Unsere erste Einschätzung haben wir dann umgehend Takeuchi-san mitgeteilt. Lustigerweise hatte er genau den gleichen ersten Eindruck und wir mussten nicht lange um den heißen Brei reden. Takeuchi-san hat vorgeschlagen kleine Änderungen am Durchmesser des Kerns vorzunehmen, sowie die Geometrie des Schwanztellers zu ändern.

Jetzt hieß es wieder einmal WARTEN!

In der Zwischenzeit juckte es mir mehr und mehr in meinen Fingen. Dieses verdammte Kunstköderverbot!

Kurzerhand entschloss ich mir drei Tage frei zu nehmen und für ein langes Wochenende nach Hamburg zu meinem Bruder Lars zufahren. Der 3 Zoll Wobble Shad hatte eine ideale Größe für die dortigen Barsche.

Gesagt getan. Noch nicht mal richtig dort angekommen, ging es auch direkt ans nächste Wasser. Voller Vorfreude montierte ich den Prototypen an mein Texas Rig. Das Wasser war keine 2 Meter tief und die Strömung war nur sehr schwach. Für diesen Spot war meine UL Molla mit Solidtip ideal (Wurfgewicht 0,8–5g). Schon nach wenigen Würfen hatte ich den ersten Hänger. Ich dachte mir „na toll, geht ja gut los. So wirst du nicht besonders weit kommen mit deinen paar Prototypen.“ Glücklicherweise ließ sich der Hänger dann doch etwas bewegen und ich stellte mich auf einen dicken Ast ein. Auf einmal sah ich, wie der vermeintliche „Ast“ sich dann entgegen der Strömung bewegte. Sofort war klar, dass ich keinen Ast an Haken hatte, sondern einen ziemlich dicken Fisch. Genau in diesem Augenblick schien auch dieser zu realisieren, dass sein kleiner Snack doch keiner war und der Tanz ging los.

Die kleine Molla war krumm bis ins Handteil und meine kleine 2000er Twinpower sang kreischende Lieder. Der Fisch hatte dann doch nicht so viel Elan beließ es dankbarerweise bei nur 2 kurzen Fluchten. Als er dann an der Oberfläche war sah ich einen dicken Hechtschädel. Der Offset-Haken hing zum Glück im Oberkiefer, außerhalb des Mauls. Der Fisch mit einer Länge von geschätzten rund 90cm (aufs Messen habe ich natürlich verzichtet!) wurde dann schnell gelandet und ging direkt zurück ins Wasser. Da der Haken so günstig hing, dauerte der Vorgang keine 30 Sekunden und die Mutti konnte weiter ihrem Laichgeschäft nachgehen.

Danach musste ich erstmal durchatmen. „Na das nenn ich mal ein guten ersten Fisch auf den Wobble Shad. Perfekter Einstand, so kann es weitergehen.“ Da wir nicht noch einen Hecht beim Laichgeschäft stören wollten, ging es die nächsten Tage an andere Spots.

Zu diesem Zeitpunkt lief es allgemein eher zäh in der Hansestadt. Von allen Seiten hörte man, dass das Angeln kaum lohnt, weil nicht viel zu holen ist. Lars und mich schreckte das aber keineswegs ab. „Jetzt hat man mal Zeit und dann wird auch durchgezogen“, haben wir uns immer gesagt. Dafür, dass uns die Örtlichen vorher nicht so viel Mut gemacht haben, lief es dann insgesamt doch recht gut.
 
In den nächsten Tagen gab es nicht unbedingt eine große Frequenz, aber trotzdem konnten wir ein paar gute Fische und einen schönen 41er Barsch fangen. Zusätzlich konnte ich noch ein paar „lütte“ Zander und sogar einen 65er Rapfen auf den Wobble Shad fangen. Wohlgemerkt alles auf Wobble Shad am Texas-Rig!

Rapfen, Barsch und Hecht auf Gummifisch am Texas Rig

Zufrieden bin ich nach dem Trip nach wieder nach Hause gefahren. Der erste Druck war weg, denn ich wusste der Wobble Shad fängt. Ich wusste wenn wir ihn jetzt noch weiter optimieren, dann wird er DER Gummifisch. Da war ich mir sicher. Ab diesen Zeitpunkt waren wir so richtig „heiß“.

Vier Wochen später trudelte bei uns die Version 2 ein. Fast genauso aufgeregt wie beim ersten Mal ging es diesmal direkt ans Wasser. Kaum am See angekommen und den Köder in das Wasser gehalten, gab es die sofortige Ernüchterung. Die Version 2 läuft nicht nennenswert anders als Version 1. Immer noch kein weites Ausschlagen des Schwanzes. Die Veränderungen von Version 1 zu Version 2 waren anscheinend zu gering. Wir entschieden uns dann die Version 3 wesentlich stärker zu verändern.

Diese Veränderungen waren auf jedenfall schon mal ein Schritt in die richtige Richtung. Version 3 hat uns quasi gezeigt, an welchen Schrauben wir drehen müssen, damit unser Gummifisch so funktioniert wie er soll. Nämlich möglichst weit mit dem Schwanz ausschlagen.

Bei Version 4 haben wir noch weiter an genau diesen Stellschrauben gedreht. Als ich diesen vierten Prototypen dann am Jigkopf ausprobierte, war das Gestaune groß. Ich rief Carsten an und schrie in mein Telefon „Das ist er! Der Lauf ist perfekt!“. Wir freuten uns wie kleine Kinder und ich schrieb Takeuchi-san über dem Facebook Messenger eine Nachricht. Da Takeuchi-san Version 4 schon ein paar Tage eher in den Händen hielt, war er natürlich auch schon ein paar Schritte weiter. Er fragte mich dann: „Habt ihr den Köder schon an Rigs gefischt? Vor allem „weightless“, also nur am Offset-Haken und ohne Gewicht?“.

Hatten wir nicht. Da ich aber noch immer am Wasser war, probierte ich es sofort aus und Ernüchterung stellte sich ein. Der Köder drehte sich beim Einkurbeln im Kreis um seine eigene Achse. „Na toll“ dachte ich mir. Da denkt man, man ist dem Ziel nah, dabei steht man immer noch fast ganz Anfang.

Dass wir aber was das Laufverhalten an sich angeht zwischen Version 1 und 4 aber definitiv einiges richtig gemacht hatten, zeigte sich dann am darauf folgenden Wochenende. Dennis und Carsten waren mit dem Wobble Shad bewaffnet an ihrem Hausgewässer unterwegs. Mit dem Köder am Jigkopf und am Noike Rubber Jig stimmten sowohl Fequenz, als auch Größe der Barsche.  

Am Rubber Jig funktionieren Gummifische ebenfalls

Davon war unser "Rig-Problem" aber auch noch nicht gelöst. Es zeigte sich, dass je mehr der Köder Wobbeln, also mit dem Schwanz schlagen sollte, dieses Rollen gleichzeitig dann immer stärker wurde. Zu diesem Zeitpunkt standen wir vor der wahren Herausforderung: Ein stark wobbelnder Gummifisch ohne gleichzeitiges Rollen. Dies muss dann natürlich auch an allen Rigs gut funktionieren UND das alles auch bei sehr langsamen Tempo.

Enttäuscht, aber auf keinen Fall unmotiviert, machten wir uns wieder ans Werk. Wir mussten neue „Schrauben“ finden. Es stellte sich heraus, dass eine dieser neuen Schrauben z.B. Die Verbindung von Schwanz zu Schwanzteller ist. Die Materialstärke an dieser Stelle ist sehr ausschlaggebend. Zusätzlich zu den neuen Schrauben hatten wir ja schon unsere bereits bekannten Stellschrauben und weitere Variablen, die wir variieren konnten. Dazu zählten unter anderen Form und Materialstärke des Kerns, Geometrie des Schwanztellers, die Zusammensetzung der Gummimischung, der Salzgehalt des Materials usw.

Als wir uns dem Ziel so langsam näherten, durften wir eine andere Eigenschaft nicht aus den Augen verlieren. Der Schwanz sollte nicht nur unter starkem Zug funktionieren, sondern auch schon bei geringem Tempo vernünftig Rudern.

Es dauerte allerdings noch einige Prototypen, bis wir uns dem Ergebnis schlussendlich nähernten. Man darf dabei nicht vergessen, dass für jeden Prototypen eine eigene Form aus Aluminium gefräst werden muss, was die ganze Entwicklung sehr kostspielig macht. Aber Takeuchi-san ist einfach Perfektionist und investiert lieber mehr in die Entwicklung, als sich im Nachhinein ewig zu ärgern. Zudem macht sein Perfektionismus ja auch den Unterschied zu „gewöhnlichen“ Softbaits aus.

Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht mehr wie viele Prototypen wir letzten Endes gebraucht haben. Wir haben lange experimentiert, immer wieder kleine Details geändert und weitere Gussformen fräsen lassen. Gleichzeitig haben wir auch häufig den Materialien an sich experimentiert. Das Ganze geht jetzt sogar soweit, dass der Salzgehalt für die obere Hälfte geringer ist als für in der unteren. Dadurch konnten wir den Schwerpunkt nach unten verlagern und das Rollen minimieren. Zusammen mit dem Abklappen der Rippen in Schwimmrichtung konnten wir so den Lauf soweit stabilisieren, dass der auch Wobble Shad am Texas Rig und selbst komplett ohne Beschwerung absolut perfekt arbeitet.

Irgendwann nach etlichen Versuchen war er dann da! Endlich und nach einem riesen Haufen Arbeit und unglaublich viel Brainstorming hatten wir einen Gummifisch, der genauso so war wie erhofft. Nein, sogar noch besser! Anfangs war es teilweise schwer zu glauben, dass die Reise nun ein Ende hat. Dass man nicht mehr auf die neuen Gussformen warten muss. Dass man abends nicht mehr im Bett liegen muss und über den Köder grübelt, sondern dieser wirklich fertig ist.

Angelköder zum Barschfischen

Die ganze Arbeit hat sich gelohnt. Der Schwanz schlägt sogar noch weiter aus, als wir es uns anfangs erhofft hatten. Wir sind stolz behaupten zu können, dass wir es geschafft haben, den extrem schwierigen Spagat gemeistert zu haben. Ein sehr weit ausschlagender Schwanz mit nur sehr geringen Rollbewegungen. Der Wobble Shad funktioniert wie geplant am Jigkopf und auch an jeglichen Finesse Methoden wunderbar. Sogar die Königsdisziplin „Weightless“, also komplett ohne Gewicht am Offset-Haken, besteht der Wobble Shad mit Bravour. Schon das geringe Eigengewicht des Shads reicht aus, damit der Schwanz beim Absinken stark nach Links und Rechts ausschlägt. Das Dropshot-Rig kann man mit dem Köder so langsam fischen, wie ich es noch bei keinem anderen Gummifisch mit Paddelschwanz gesehen habe. Selbst der langsamste Zug reicht aus und der Schwanz fängt an zu arbeiten.

Wir sind jetzt am Ende wirklich mehr als happy und auch stolz. Ganz besonders, weil wir unsere eigenen Ziele nicht nur erfüllt, sondern sogar deutlich übertroffen haben. Der Wobble Shad ist fertig und so gut, dass er sich seinen Namen absolut verdient hat. Der „wobbelnde“ Lauf ist so stark, dass wir uns dafür entschieden haben den Namen Wobble Shad, der zunächst nur ein Prototypen-Name war, beizubehalten.

Die komplette Entwicklung hat wesentlich länger gedauert als anfangs gedacht. Im Nachhinein betrachtet waren unsere Ziele extrem hoch gesteckt: Ein Gummfisch, der sämtliche Anforderungen meistert, beim Schwimmen sehr weit ausschlägt und gleichzeitig kaum Rollbewegung besitzt. Uns war es wichtig nicht einfach nur irgendeinen x-beliebigen Gummifisch zu entwerfen. Wir wollten  DEN Gummifisch entwerfen. In unseren Augen hat sich die Arbeit gelohnt. Wir sind wirklich Stolz auf unseren kleinen Gummifisch.

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